Herzlich willkommen zum Kurz-Gottesdienst am Ostermontag!
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Mit diesem Kurz-Gottesdienst schließen wir die Ostertage ab. Wie es weitergeht mit unserem Online-Angebot, diskutieren wir gerade. Magst du mitdiskutieren? Wir freuen uns über deine Meinung per Email an onlinepredigt@petrusgemeinde-rastatt.de.
Zum Nachlesen
Herzlich willkommen bei den Osterimpulsen 2021
Ich bin Julia Cord, Prädikantin der Petrusgemeinde Rastatt. Heute: Ostermontag
„Das ist mir ein Buch mit sieben Siegeln.“ Kennst du diesen Ausdruck? Gemeint ist, wenn man eine Sache überhaupt nicht versteht. So kann eine mathematische Aufgabe, ein neues Computerprogramm, eine Brief vom Finanzamt ein „Buch mit sieben Siegeln“ sein. Kurz gesagt: Man blickt’s nicht. Ich weiß nicht, wie du gestrickt bist: Ich wende mich normalerweise schnell ab, wenn ich so was Kompliziertes vor mir habe. Es bringt ja nichts, da ich das NIE verstehen werde. Basta.
Das Sprichwort stammt aus der Bibel und bezieht sich auf die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament. Hier wird von einem ganz besonderen Buch berichtet, einem Buch mit sieben Siegeln. Niemand kann die Siegel lösen und einen Blick hineinwerfen – außer Jesus Christus in der Gestalt eines Lammes. Nur dieses Lamm ist würdig genug, das Buch zu öffnen. Und die Folgen sind gewaltig.
Durch das Öffnen der einzelnen Siegel wird die Apokalypse ausgelöst, der Kampf zwischen Gut und Böse, das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Auf die Apokalypse folgt nach Johannes das Reich Gottes: eine gerechte und friedvolle Zeit, in der Gott König ist und es keine Herrschaft von Menschen über Menschen mehr gibt.
Ganz ehrlich: das ist schon harter Tobak. Weltende, Kampf zwischen Gut und Böse…ein bisschen wie unsere Fantasyfilme. Nicht wenige Regisseure haben sich übrigens hier bedient: Bilder aus der Offenbarung werden gerne benutzt, aber wenige kennen sie aus der Bibel.
Ich muss aber gar nicht so weit greifen. Wie oft komme ich doch an die Grenzen des Verstehens in meinem eigenen, kleinen Leben, meinem Alltag. Wie oft legt mir Gott völlig wirre und verschlungene Wege vor, ja manchmal gar keine Wege, eher Trampelpfade, und ich denke nur: Ich habe mich in meinem eigenen Leben komplett verirrt.
Wie in so einem Maislabyrinth, wo man vor lauter Maispflanzen den Ausgang nicht mehr findet. Das ist nicht lustig, das ist beklemmend. Und ich ahne: es geht vielen genauso wie mir. Nicht immer. Aber in gewissen Lebenssituationen. Wo man sich fragt: Was hat Gott sich denn DABEI gedacht? Ist ER überhaupt noch da?
Ich vermute, die Jünger damals haben nach Ostersonntag das auch gedacht. Jesus tot, das Grab leer. Was nun? Haben sie aufs falsche Pferd gesetzt? Und sie laufen auseinander und gehen ihren früheren Beschäftigungen nach. Verwirrt, enttäuscht, im Stich gelassen.
Ich möchte das an diesem Bild hier deutlich machen: Du siehst nur Linien, dickere, dünnere, aber keine formgebende Struktur, es fehlt der Sinn. Es scheint komplett willkürlich, ohne Absicht, ohne Deutung. Solche Tage kenne ich gut. Du stehst auf und denkst: Oh nein, nicht schon wieder SO ein Tag! Der macht keinen Sinn, fühlt sich schlimm an. Vielleicht hast du einen Menschen verloren, vielleicht ist dir Schlimmes widerfahren, vielleicht bist du krank geworden. Egal was es ist: Gott scheint fern, sendet keine Signale. Und du läufst völlig verloren umher. Und dann… Kommen nach und nach Silhouetten, Farben, Formen.
Und dann siehst du auf einmal die Engel, es sind hier drei. Die Himmelsboten waren schon die ganze Zeit da, aber ohne die formgebende Farbe hast du sie eben nicht sehen können. Das Liniengewirr war dein persönliches Buch mit sieben Siegeln. Und dann kommt ER und öffnet dir dein verschlossenes Buch, erklärt, zeigt auf, macht dich mit deinem Lebenssinn bekannt. Was für ein Moment!
Ich hatte Glück. Mit hat Gott schon immer mal wieder Teile meines Lebensweges hinterher erklärt.
Vorher, das gebe ich zu, habe ich gehörig gejammert, geschimpft, ja Gott fast die Freundschaft gekündigt. Aber nur fast. Denn wer hätte mich denn sonst in den traurigen Phasen meines Lebens begleiten sollen? Das kann kein Freund auf dieser Welt, auch wenn ich wirklich gute Freunde habe! Aber auch die sind irgendwann mit ihrem Latein am Ende. So wie ich. Und dann ist es einfach toll wenn ER die leeren Felder füllt und dein Wirrwarr mit Farbe zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt.
Ich denke, so ging es auch den Emmaus Jüngern, jene Männer, die Jesus trafen und ihn nicht erkannten. Erst als Jesus die bekannte Geste des Brotbrechens macht.., da geht ihnen das Licht auf.
Oder den Frauen am Grab: Der Engel, den sie für den Gärtner halten, muss ihnen sagen: Ihr sucht den Lebendigen bei den Toten.
Genau so ging es auch Paulus etwas später. Den wirft ein Blitz vom Pferd, ja vom hohen Ross, und er hat die Vision von Jesus: Warum verfolgst du mich? Und aus dem Ver-folger wird ein heißblütiger Nach-folger. – Ja, auch die größten Glaubenshelden haben nicht immer den Durchblick gehabt. Das finde ich sehr beruhigend. Gut zu wissen.
Aber auch ihnen ging es so: sie konnten die göttliche Erkenntnis nie herbeizwingen. ER bestimmt den Zeitpunkt. Und ich weiß, wie sehr man sich manchmal nach diesem Aha-Erlebnis sehnt. Wenn die Phase der Düsternis einfach zu lange geht, die Kräfte schwinden, man eigentlich nur noch blind vor sich hin trottet wie bei einer viel zu langen Wanderung.
Ich mag dir Mut machen: Du darfst es IHM sagen. Du darfst jammern, klagen, schreien…was auch immer. Die Bibel ist voll mit Klagepsalmen. Verzweiflung ist reell, schon immer gewesen. Gott hört dein Rufen, auch das ungehörige. Und er kommt klar damit. Aber eines, so bitte ich dich, tu nicht: Dich abwenden, verstummen.
Vermutlich wurde dieser Brief an jene Christen geschrieben, die ihre erste Begeisterung am Glauben verloren hatten. Diese Menschen kamen in raue Gewässer, in Stürme. – Und da fühle ich mich angesprochen.
Ich frage mich: Kann man denn sein Vertrauen wegwerfen? So wie ein schmutziges Taschentuch? Oder geht Vertrauen nicht leise und klammheimlich verloren? Das eine wäre passiv: Vertrauen geht verloren, ich als Christ kann nichts dafür. Es passiert halt einfach. Der Autor des Briefs sagt aber: Hey, wer nicht mehr vertraut, der wirft es weg. Absichtlich, bewusst.
Genau darum geht es: Deine Wege mögen wirr sein. Der Nebel rundum dicht. Du hast keine Lust mehr das Ganze durchzuziehen. ABER: Du sollst dein Vertrauen nicht wegwerfen. Denn es wird belohnt werden. Reich belohnt. Wenn Gott deine Leerstellen mit Farbe füllt, dann ist das eine Belohnung. Dein Lebensbild wird wunderschön. Aus Chaos wird Sinn.
Ich wünsche dir die Geduld, die mutigen Gebete, die Kraft deine persönliche Durststrecke zu durchleben. ER ist näher als du denkst. Und versorgt dich, auch wenn es sich nicht danach anfühlt. Glaube ist nun mal Vertrauen und nicht Schauen.
Auf was du schauen kannst, schon heute: alles was er dir schon Gutes getan HAT. Wie Psalm 103 es uns sagt:
Und glaub mir, ER packt noch eine Schaufel drauf. Du wirst sehen.
Gebet:
Guter Gott,
Nebel ringsumher, ich sehe dich nicht mehr,
wie find ich den Weg?
Dein Wort ist das Licht,
das durch den Nebel bricht.
Du führst mich an deiner Hand.
Wie in diesem Lied geht es mir immer mal wieder
Du versprichst mir in deinem Wort aber:
Wirf das Vertrauen nicht weg.
Ich bin, ich bleibe, ich helfe!
Es geht ums Durchhalten.
Es geht mir um die Kraft.
Herr, gib mir, gib uns allen die Kraft die wir brauchen.
Du kannst dieses Wunder tun.
Und lass uns alle immer wieder sehen,
wie du aus wirren Linien deine Engel formst.
Amen